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02 Apr 2024

Andri si anders: Gedanken zur Identität

In unsicheren Zeiten neigen wir dazu, Grenzen zu ziehen. Das Kontrastprogramm dazu war unsere Predigtserie zur Identität ohne Ausgrenzung. Was bleibt, was «reibt»?

»Ich will so bleiben wie ich bin: du darfst!« Oder doch nicht? Das echote durch mein Gehirn, als ich Matthias in einer der Predigten Folgendes sagen hörte:

Wenn unser Geschlecht für unsere Identität als Christ:innen bedeutungslos ist, heisst das, dass es kein Ideal gibt, keine vorgegebenen Rollen, denen wir entsprechen müssen.

Gott verknüpft keine Erwartungen mit dem Label «Frau»; ich kann es ausfüllen, wie ich will. So befreiend, dachte ich mir – jedenfalls bis ich feststellte, dass Freiheit auch herausfordern kann. Wenn es keine Regel gibt, wie ich sein soll, woher soll ich dann wissen, wie ich sein soll? Es kann riskant sein, sich so zu zeigen, wie man ist. Was, wenn ich, ganz naiv, ungeschönt und echt aufschlage und dann doch abgelehnt werde? Wäre es mir eventuell lieber, wenn mir jemand sagt, was von mir erwartet wird?

Und diese Freiheit gilt ja nicht nur mir, sondern auch meinem Gegenüber; gleiches Recht für alle. Oder wie Sandra gesagt hat: Sobald ich versuche, andere in meine Schablonen zu pressen, fordere ich Gott heraus, der sie geschaffen hat. Es kann schwerfallen, Menschen bedingungslos anzunehmen, die anders sind; ganz besonders, wenn ihre Andersartigkeit uns irritiert oder wir uns sogar fragen, ob diese besondere Andersartigkeit Gottes Willen entspricht.

Jesus: Kein Grenzzieher-Gott

Es kann mich verunsichern, wenn jemand in die Gemeinschaft aufgenommen wird, der total anders ist als ich. Wenn so jemand dazu gehört, was ist dann mit mir? Was, wenn plötzlich ich in der Minderheit bin? Bin es irgendwann ich, die nicht mehr passt?
Die Predigtserie hat ermutigende Anstösse vermittelt, wie wir solche Ängste überwinden und an wen wir uns halten können. Jesus zeigt uns, wie man als Mensch in Verbindung mit Gott lebt und wie man mit den Mächtigen und Schmächtigen, den Grenzziehern und Ausgegrenzten umgeht. Zuverlässig hat er sich stets auf die Seite der Machtlosen gestellt, zu denen, die abseits, am Rand und ausserhalb standen.

Und die Kirche? Sie hat im Verlauf der Geschichte öfter auf der Seite der Macht gestanden und ausgegrenzt. Aber in ihren geisterfüllten Aufbrüchen hat sie immer wieder soziale, ethnische und geschlechtliche Schranken durchbrochen, hat Rollen neu definiert und sichtbar gemacht, dass im Reich Gottes einzig unsere Identität in Jesus zählt.

Sichtbar wird so auch die gewollte, wunderbare und notwendige Vielfalt von uns Menschen. Wir können nicht ohneeinander Mensch sein: Wir ergänzen uns. Nicht, um zusammen effizienter, sondern um ganz Mensch zu sein und diese Kreativität von Gottes Schöpfung abzubilden.

Vom anderen lernen

Als Gottes Geschöpfe sind wir mit ihm und in all unserer Verschiedenheit miteinander verbunden und dürfen lernen, aneinander zu entdecken, was es heisst, gemeinsam Gottes Ebenbild und sein Leib zu sein. Wir können einander auf Augenhöhe begegnen und einander erzählen, wie Gott in unserem Leben gewirkt hat. Das hilft uns, die Angst zu verlieren, selbst ausgegrenzt zu werden, und wir können wagen, Minderheiten und «anderen» Raum zu geben und eine Stimme zu sein für alle, die keine haben.

Das können wir nur dank Jesus im Zentrum. Er rettet uns davor, um uns selbst zu kreisen, und davor, uns mit Normen zu behelfen, die zwar verbinden, uns aber auch einengen und andere ausgrenzen. Und nur mit seiner Hilfe erfüllen wir das Gebot der Liebe: keiner Liebe als rosa Brille, mit der wir einander schönschauen, sondern Liebe als Handlung am anderen, Handlung durch den Geist Gottes, der in uns seine Früchte kultiviert – die Früchte des Geistes, das wahre Identitätsmerkmal unseres Christseins.

Raum geben für eine heile(re) Gesellschaft

Kann ich also bleiben, wie ich bin? Ja und nein. Ich darf der Mensch sein, den Gott gemacht hat, aber ich bin aufgefordert, auch meinen Mitchrist:innen und allen anderen Menschen den gleichen Raum zu geben. Und ich bin herausgefordert, mich meinen Ängsten und Vorbehalten zu stellen und in meinem Herzen Weite zu schaffen.

Dann kann ich dazu beitragen, dass unsere Kirche ihren Auftrag erfüllt: Einer fraktionierten und polarisierten Gesellschaft eine heilende, heile(re) Gemeinschaft vorzuleben, in der jeder Mensch blühen darf und wo allen mit Würde und Annahme begegnet wird.

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